Lebe unbegrenzt
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Wie die meisten Patienten mit PKU wurde sie bis Ende zwanzig von einem Kinderarzt betreut. „Wir hier in Galizien haben ein großartiges Team und daher Glück“, sagt Raquel. „Als ich jedoch von der Kinderabteilung in die Abteilung für Erwachsene überwiesen wurde, war ich 27, da es nicht genug Patienten gibt, die den Unterhalt einer Abteilung für Erwachsene rechtfertigen. Das Leben mit einer seltenen Stoffwechselerkrankung wie PKU ist nicht einfach, da Ärzte und Gesundheitsdienstleister weder über Erfahrung in der Behandlung der Krankheit noch über entsprechende Informationen verfügen. Mein Arzt nannte mich immer ‚die Seltene‘, da sein einziges Wissen darüber aus seinem Medizinstudium stammte. Wenn schon ein Arzt kaum etwas darüber weiß, wie soll dann eine Person ohne Medizinstudium dies in vollem Umfang verstehen?“
Raquel ist jetzt 32, und ihr Zustand hindert sie nicht daran, ihr Leben voll und ganz zu genießen. Ihre Eltern, ihr Ehemann und ihre Freunde unterstützen sie. Sie dienen ihr, wie auch ihre Hobbies, als ‚Alarmsignale‘, wie sie es nennt, wenn der PHE-Spiegel in ihrem Blut höher als normal ist und die Symptome aufzutreten beginnen.
„Mit Rollschuh laufen überprüfe ich meinen Spiegel. Ein Problem ist dann für mich offensichtlich, wenn ich zu viel Zeit dafür verwende, etwas Neues zu lernen oder eine bereits bekannte Technik ausprobiere. Meine Mutter dient mir auch als Alarmsignal für meine PKU. Wenn sie bei mir schlechte Laune bemerkt, erkundigt sie sich immer nach meinem Phe-Spiegel. Mein Ehemann macht es ebenfalls so. Er achtet immer genau auf meine eingenommene Proteinmenge und darauf, was ich esse, wenn wir ausgehen, und wie es mir geht.“
Hinsichtlich der PKU-Symptome ist Raquel der Meinung, die Konzentrationsprobleme hätten den größten Einfluss auf ihr Leben gehabt. „Es übernimmt dein Leben. Du bist nicht mehr du selbst. Dein Wutpegel verändert sich ebenfalls, genauso wie dein Geruch. Früher habe ich an nationalen und internationalen Rollschuh-Wettbewerben teilgenommen. Um sich mit dem Team zu koordinieren, muss man sich konzentrieren. Aus diesem Grund muss man jeden Tag aufmerksam sein. Man muss sich selbst einschätzen können, wissen, wann man die Kontrolle verliert, und den Spiegel kontrollieren.“
Durch das Kennenlernen der Unberechenbarkeiten der PKU und der Gefahren, die die Einnahme von zu viel Protein in jungen Jahren bedeuten kann, konnte Raquel ihren Zustand ihr ganzes Leben lang kontrollieren. Ihrer Meinung nach ist es daher für jeden Patienten außerordentlich wichtig, selbstständig zu sein und sich selbst sehr gut zu kennen. Zusätzlich erwartet sie mehr Unterstützung durch das Gesundheitssystem und vor allem einen besseren Informationsaustausch zwischen Gesundheitsexperten.
„In einigen Orten wie Madrid gibt es zwei Referenzkliniken. Hausarzt und Facharzt der meisten Patienten praktizieren vor Ort und tauschen sich als Kollegen untereinander aus. In meinem Fall haben wir Zugang zu einem Team und einer Einrichtung, die sich um unsere Ernährungspläne und Blutwerte kümmert und dafür sorgt, dass alles in Ordnung ist. Jedoch praktiziert mein Hausarzt nicht in Santiago. Falls irgendwas passiert, verfügen sie über keinerlei Aufzeichnungen. Sie wissen zwar Bescheid, tauschen sich allerdings nicht untereinander aus.“
Mit Blick auf die Zukunft fühlt sich Raquel unsicher, doch möchte sie jüngeren Patienten ihre Erfahrungen weitergeben.
„Meiner Meinung nach machen sich die meisten Patienten mit PKU in meinem Alter Sorgen darüber, wie ihre Zukunft aussieht. Ich gehöre zur ersten Generation, bei denen PKU bei der Geburt entdeckt wurde. Daher gibt es derzeit keine Informationen zu Personen im Alter ab 50 Jahren. Dies ängstigt mich, da ich nicht weiß, was auf mich zukommt. PKU ist eine schwerwiegende Erkrankung, die Folgen haben kann, wenn sie nicht von Anfang an behandelt wird.“
Job code: EU/PKU/0907 | Date of prep: June 2019